Oliver Twist, Kapitel 34
An einem schönen Abend in der Dämmerung saß Oliver am Fenster, in seine Bücher vertieft. Da der Tag außerordentlich schwül war, überkam ihn eine Müdigkeit und er schlief ein. Zuweilen beschleicht uns eine Art Schlummer, der zwar den Körper gefangen hält, aber die Seele nicht von der Sensibilität für die Außenwelt befreit. Oliver wusste genau, dass er in seinem eigenen kleinen Zimmer war. Und doch schlief er. Plötzlich wechselte der Schauplatz; die Luft wurde stickig; und er glaubte mit Angst und Schrecken, wieder im Haus des Juden zu sein. Da saß der abscheuliche Alte in seiner gewohnten Ecke, zeigte auf ihn und flüsterte leise mit einem anderen Mann, der mit abgewandtem Gesicht neben ihm Platz genommen hatte. »Psst, mein Freund«, glaubte er den Juden sagen zu hören, »er ist es, ganz sicher. Komm weg.« »Er!«, schien der andere Mann zu antworten, »meint ihr, ich könnte ihn verfehlen?« Der Mann schien das mit so viel blankem Hass zu sagen, dass Oliver aus seinem Schlaf hochschreckte. Gütiger Gott! Was war das, was ihm die Sprache verschlug und seine Bewegungsfähigkeit hemmte? Dort, dort am Fenster direkt vor ihm, so nah, dass er ihn beinahe hätte berühren können, ehe er zurückschreckte: Mit durchdringenden Blicken ins Zimmer sehend und den seinen begegnend, dort stand der Jude. Und neben ihm, blass vor Wut oder Angst, oder beidem, waren die grimmigen Gesichtszüge des Mannes... Doch nur einen Augenblick – dann waren sie verschwunden. Aber er hatte sie und sie hatten ihn erkannt. Er stand eine Sekunde wie vom Blitz getroffen da. Dann sprang er aus dem Fenster in den Garten und rief laut um Hilfe.